27 Jun. 2023

Fürs Leben lernen und dabei Geld verdienen

 

(ts)Quelle:Rhein-Neckar-Zeitung Von Wolfgang Brück
Heidelberg. Rouven Ettner sagt, dass er früher schüchtern war. Wer den Stellvertretenden Leiter des Bauamtes in Nußloch und Jugendleiter des Badischen Fußballverbandes kennt, kann es kaum glauben. Der 33-jährige Walldorfer vertritt selbstbewusst seine Meinung, er ist ein in sich ruhender Mensch. Fabian Reuter ist Produktmanager bei der Deutschen Bahn, ein zurückhaltender Mann, der Autorität ausstrahlt.

Reuter und Ettner sind überzeugt davon, dass ihr Hobby maßgeblich zu ihrer Persönlichkeits-Bildung beitrug. „Schiedsrichter zu sein, ist eine Schule fürs Leben“, meint Ettner, „du lernst den Umgang mit unterschiedlichsten Menschen, du musst Entscheidungen treffen und sie auf angemessene Weise durchsetzen.“
Nach säuberlich aufgelisteten 888 Spielen – Ettner besuchte die Verwaltungsakademie – hat der Vater einer kleinen Tochter seine Laufbahn vor zwei Wochen beendet.

Fabian Reuter, der mit 14 durch seinen älteren Bruder Andreas mit dem Pfeifen begann, geht in seine zweite Saison in der Regionalliga. Der 25-jährige Ziegelhäuser gehört damit zur Elite, zu den besten 0,5 Prozent der 50 000 Schiedsrichter in Deutschland. Darüber sind nur noch die 60 Unparteiischen der drei Profiklassen..
Die Spitzen-Schiedsrichter verdienen gutes Geld. In der Bundesliga beträgt das jährliche Grundgehalt zwischen 50 000 und 80 000 Euro. Pro Spiel kommen 5000 Euro dazu. Das ist gegenüber den Profis lächerlich wenig, aber die Besten können ihr Hobby zum Beruf machen.

In Deutschland gehen Schiedsrichter gewöhnlich mit 47 in Rente. Manuel Gräfe hat dagegen geklagt. Das Landgericht Frankfurt hat ihm Recht gegeben. Es dauert, bis sich der „Tanker DFB“ bewegt, , so hat sich mal der ehemaligen Hoffenheimer Bernhard Peters geäußert,
Das ist schade für einen wie Sascha Haynes. Das Vorstands-Mitglied der DJK/FC Ziegelhausen-Peterstal wurde Schiedsrichter, als er schon über 30 war. Haynes hat eine Blitz-Karriere hingelegt, weil er als ehemaliger guter Spieler weiß, wie die Kollegen ticken und er natürliche Autorität und Sozialkompetenz hat. In nur fünf Jahren stieg er in die Landesliga auf, doch weil er „schon“ 38 ist, sind der Laufbahn Grenzen gesetzt.

Fabian Reuter ist dagegen im besten Alter, um es weit zu bringen. Er trainiert vermal die Woche, dreht auf dem Dossenheimer Sportplatz seine Runde, geht ins Fitnessstudio. Bruder Andreas coacht ihn. Fabian sagt: „Ein guter Schiedsrichter muss sich in die Spieler reinversetzen können, er sollte ein Gespür für die Situation haben, er muss Ruhe und Souveränität ausstrahlen. Er ist dann gut, wenn er nicht wahr genommen wird.“

Letztendlich liegt wie bei den Spielern die Wahrheit auf dem Platz. Eine Kommission entscheidet über Auf- und Abstieg. Haris Krasser hat es geschafft. Der 28-jährige Mitarbeiter der Volksbank Neckartal, der für den SV Waldwimmersbach pfeift und Lehrwart der Heidelberger Schiedsrichter ist, stieg in die Regionalliga auf. Dominik Genthner vom FC Dossenheim darf jetzt in der Oberliga pfeifen, sein Vereinskamerad Nicolas Heuss und Max Förderer vom VfB Wiesloch leiten künftig Spiele in der Landesliga.

Am Tag der Ehrungen bei den freundlichen Gastgebern des FC Badenia St. Ilgen wurden Alis Karanovic vom ASC Neuenheim, Fabian Reuter von der DJK/FC Ziegelhausen-Peterstal, Philipp Schell vom BSC Mückenloch und Dominik Genthner ausgezeichnet. Sie sind seit über zehn Jahren dabei. Harald Seib von der SG Horrenberg wurde für 20-jährige Tätigkeit gewürdigt.  Auch damit können Schiedsrichter werben: Der Zusammenhalt ist groß.

Die neuen Kurse beginnen im Oktober. Schon Anfänger können sich ein Taschengeld von ein paar Zehnern verdienen. Gewalt an Schiedsrichtern gibt es, aber im „Jahr des Schiedsrichters“ mehren sich die Anzeichen, dass der Respekt zunimmt. In der Saison 20/21 registrierte der Deutsche Fußball Bund 2400 Fälle von Diskriminierungen oder gar Gewalt an Unparteiischen. 911 Spiele mussten abgebrochen werden. Das ist eine verschwindend geringe Zahl bei 1,37 Millionen organisierten Fußballspielen, die jedes Jahr in Deutschland stattfinden.

Rouven Ettner war 17 Jahre Schiedsrichter. Die schönen Momente überwiegen bei weitem. Über eine der wenigen Zwischenfälle kann er schmunzeln: Ein Schnitzel-Brötchen flog einem seiner Linienrichter um die Ohren.
Info: www.heidelbergerfußballschiedsrichter.de


Unser Bild zeigt von links bfv-Schiedsrichter-Obmann Rolf Karcher, der Chef der Heidelberger Unparteiischen Hansi Krieg, Alis Karanovic, Fabian Reuter, Philipp Schell, Dominik Genthner, Harad Seib, der Vorsitzende des Fußballkreises Heidelberg Johannes Kolmer, Hansi Kriegs Stellvertreter Wolfgang Sauer und bfv-Lehrwart Professor Dr. Thomas Längle. Fotos: privat

 

Eine gewisse Größe kann nicht schaden. Fabian Reuter, mit Haris Krasser ranghöchster Unparteiischer im Fußballkreis Heidelberg, beeindruckt mit 1. 93 Metern.

Verdiente Schiedsrichter wurden in St. Ilgen ausgezeichnet. Foto:privat